Materialsammlung zum Wort endgeil: Unterschied zwischen den Versionen
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Zurück zum Beton: Seit den fernen achtziger Jahren durften oder mussten wir zusehen, wie sich nachmittags erst Menschen vor den Kameras zerfleischten, um sich zur primetime zu entleiben und sich gegen Mitternacht zu entkleiden und zu paaren, auf dass der Zyklus von vorne beginnen konnte. Ein echter Kannibale in den newsshows hat da nie wirklich gestört. Und auch nicht pornographisch zugerichtete Menschenberge in irakischen Gefängnissen oder in ihrer schieren Zahl perverse Leichenberge an unseren Lieblingsstränden: „Deutsche bleiben Phuket treu“, tröstet Spiegel online. Aber vielleicht sind wir durch diese An- und Zurichtung lebendigen wie toten Menschenfleisches weich geklopft worden wie ein Schnitzel in der All-inclusive-Hölle für einen medialen Quantensprung, ein ganz neues, noch ''endgeileres'' Fernsehen, das sich in der Berichterstattung über den siechen, den sterbenden, den verstorbenen, den bald selig gesprochenen Papst angedeutet hat: Darf man ihn so zeigen?</p> | Zurück zum Beton: Seit den fernen achtziger Jahren durften oder mussten wir zusehen, wie sich nachmittags erst Menschen vor den Kameras zerfleischten, um sich zur primetime zu entleiben und sich gegen Mitternacht zu entkleiden und zu paaren, auf dass der Zyklus von vorne beginnen konnte. Ein echter Kannibale in den newsshows hat da nie wirklich gestört. Und auch nicht pornographisch zugerichtete Menschenberge in irakischen Gefängnissen oder in ihrer schieren Zahl perverse Leichenberge an unseren Lieblingsstränden: „Deutsche bleiben Phuket treu“, tröstet Spiegel online. Aber vielleicht sind wir durch diese An- und Zurichtung lebendigen wie toten Menschenfleisches weich geklopft worden wie ein Schnitzel in der All-inclusive-Hölle für einen medialen Quantensprung, ein ganz neues, noch ''endgeileres'' Fernsehen, das sich in der Berichterstattung über den siechen, den sterbenden, den verstorbenen, den bald selig gesprochenen Papst angedeutet hat: Darf man ihn so zeigen?</p> | ||
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− | <p>T96/FEB.06586 die tageszeitung, 10.02.1996, S. 30, Ressort: Kultur; Die Evolution überquert die Straße | + | <p>T96/FEB.06586 die tageszeitung, 10.02.1996, S. 30, Ressort: Kultur; Die Evolution überquert die Straße</p> |
Von dem die Westdeutsche Zeitung schrieb, das sei "wunderliche Prosa auf der Höhe der Zeit"? Wunderlich in der Tat ... wobei ich, auf der Suche nach dem wunderlichsten Satz, folgendes fand: "In einer Welt, in der die Evolution beim Überqueren der Straße noch nicht von den eigenen Kindern und Kindeskindern mit Eisenkrampen beschossen wurde, damals, als sie noch nicht so verbiestert war, von wegen der Intoleranz und Respektlosigkeit, mit der sie zu behandeln über die jüngsten Jahrtausende in Mode gekommen ist, früher also, als sozusagen mehr Lametta war, zur Zeit eines rein ideellen Damals also, da wurden die Lust am Vögeln und die Zeugung noch auf einem Teller serviert." So wunderlich ist das, daß man anfängt zu zweifeln: an sich selbst, am Roman, am Dichter, an der Welt ... und vielleicht sogar dazu neigt, "Blavatzkys Kinder" von der Ditfurth für die ganz große Literatur zu halten. "Auf der Höhe der Zeit" ist dieser Roman sicher auch, denn wir lesen vom "ultimativ ''endgeilsten'' aller Gefühle" und wie da "ab-gekackt" und "ab-geheult" wird, und daß sich Margit "mittlerweile mit ihrer gehobenen Schokoladengeilheit angefreundet" hat. Da werden Freunde nicht einander vorgestellt, sondern "introduziert". Und über "Peinlichs Gesicht peitschte ein tollwütiges Pferd hinweg", wohingegen er ein anderes Mal "ein Grinsen niederhielt, das sich anschickte, sein Gesicht zu bewölken". An anderer Stelle "steigerte er sein Grinsen zu einem spezifischen Grinsen, einer temporären Variante seines ständigen Grinsens ..." Und neun Seiten später heißt es: "Er blickte in ein spezifisches Grinsen, das zu einem ihm bekannten Grinsen im Verhältnis stand wie Laubbäume zu Nadelbäumen." Wunderlich und schön erschien mir auch der Satz: "Er sah, wie sie in der Ferne, einem Schwarm südwärts ziehender Enten gleich, umherstiefelten." etc. | Von dem die Westdeutsche Zeitung schrieb, das sei "wunderliche Prosa auf der Höhe der Zeit"? Wunderlich in der Tat ... wobei ich, auf der Suche nach dem wunderlichsten Satz, folgendes fand: "In einer Welt, in der die Evolution beim Überqueren der Straße noch nicht von den eigenen Kindern und Kindeskindern mit Eisenkrampen beschossen wurde, damals, als sie noch nicht so verbiestert war, von wegen der Intoleranz und Respektlosigkeit, mit der sie zu behandeln über die jüngsten Jahrtausende in Mode gekommen ist, früher also, als sozusagen mehr Lametta war, zur Zeit eines rein ideellen Damals also, da wurden die Lust am Vögeln und die Zeugung noch auf einem Teller serviert." So wunderlich ist das, daß man anfängt zu zweifeln: an sich selbst, am Roman, am Dichter, an der Welt ... und vielleicht sogar dazu neigt, "Blavatzkys Kinder" von der Ditfurth für die ganz große Literatur zu halten. "Auf der Höhe der Zeit" ist dieser Roman sicher auch, denn wir lesen vom "ultimativ ''endgeilsten'' aller Gefühle" und wie da "ab-gekackt" und "ab-geheult" wird, und daß sich Margit "mittlerweile mit ihrer gehobenen Schokoladengeilheit angefreundet" hat. Da werden Freunde nicht einander vorgestellt, sondern "introduziert". Und über "Peinlichs Gesicht peitschte ein tollwütiges Pferd hinweg", wohingegen er ein anderes Mal "ein Grinsen niederhielt, das sich anschickte, sein Gesicht zu bewölken". An anderer Stelle "steigerte er sein Grinsen zu einem spezifischen Grinsen, einer temporären Variante seines ständigen Grinsens ..." Und neun Seiten später heißt es: "Er blickte in ein spezifisches Grinsen, das zu einem ihm bekannten Grinsen im Verhältnis stand wie Laubbäume zu Nadelbäumen." Wunderlich und schön erschien mir auch der Satz: "Er sah, wie sie in der Ferne, einem Schwarm südwärts ziehender Enten gleich, umherstiefelten." etc. | ||
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Version vom 11. Januar 2017, 08:41 Uhr
Auf dieser Seite werden Materialien gesammelt und das festgehalten, was bei der Erstellung des Wörterbuchartikels zum Wort endgeil wichtig war / ist.
Belege
Komparativ:
U05/MAI.03473 Süddeutsche Zeitung, 21.05.2005, S. ROM1; Ich steh’ hier live am Sterbebett
Zurück zum Beton: Seit den fernen achtziger Jahren durften oder mussten wir zusehen, wie sich nachmittags erst Menschen vor den Kameras zerfleischten, um sich zur primetime zu entleiben und sich gegen Mitternacht zu entkleiden und zu paaren, auf dass der Zyklus von vorne beginnen konnte. Ein echter Kannibale in den newsshows hat da nie wirklich gestört. Und auch nicht pornographisch zugerichtete Menschenberge in irakischen Gefängnissen oder in ihrer schieren Zahl perverse Leichenberge an unseren Lieblingsstränden: „Deutsche bleiben Phuket treu“, tröstet Spiegel online. Aber vielleicht sind wir durch diese An- und Zurichtung lebendigen wie toten Menschenfleisches weich geklopft worden wie ein Schnitzel in der All-inclusive-Hölle für einen medialen Quantensprung, ein ganz neues, noch endgeileres Fernsehen, das sich in der Berichterstattung über den siechen, den sterbenden, den verstorbenen, den bald selig gesprochenen Papst angedeutet hat: Darf man ihn so zeigen?
Superlativ:
T96/FEB.06586 die tageszeitung, 10.02.1996, S. 30, Ressort: Kultur; Die Evolution überquert die Straße
Von dem die Westdeutsche Zeitung schrieb, das sei "wunderliche Prosa auf der Höhe der Zeit"? Wunderlich in der Tat ... wobei ich, auf der Suche nach dem wunderlichsten Satz, folgendes fand: "In einer Welt, in der die Evolution beim Überqueren der Straße noch nicht von den eigenen Kindern und Kindeskindern mit Eisenkrampen beschossen wurde, damals, als sie noch nicht so verbiestert war, von wegen der Intoleranz und Respektlosigkeit, mit der sie zu behandeln über die jüngsten Jahrtausende in Mode gekommen ist, früher also, als sozusagen mehr Lametta war, zur Zeit eines rein ideellen Damals also, da wurden die Lust am Vögeln und die Zeugung noch auf einem Teller serviert." So wunderlich ist das, daß man anfängt zu zweifeln: an sich selbst, am Roman, am Dichter, an der Welt ... und vielleicht sogar dazu neigt, "Blavatzkys Kinder" von der Ditfurth für die ganz große Literatur zu halten. "Auf der Höhe der Zeit" ist dieser Roman sicher auch, denn wir lesen vom "ultimativ endgeilsten aller Gefühle" und wie da "ab-gekackt" und "ab-geheult" wird, und daß sich Margit "mittlerweile mit ihrer gehobenen Schokoladengeilheit angefreundet" hat. Da werden Freunde nicht einander vorgestellt, sondern "introduziert". Und über "Peinlichs Gesicht peitschte ein tollwütiges Pferd hinweg", wohingegen er ein anderes Mal "ein Grinsen niederhielt, das sich anschickte, sein Gesicht zu bewölken". An anderer Stelle "steigerte er sein Grinsen zu einem spezifischen Grinsen, einer temporären Variante seines ständigen Grinsens ..." Und neun Seiten später heißt es: "Er blickte in ein spezifisches Grinsen, das zu einem ihm bekannten Grinsen im Verhältnis stand wie Laubbäume zu Nadelbäumen." Wunderlich und schön erschien mir auch der Satz: "Er sah, wie sie in der Ferne, einem Schwarm südwärts ziehender Enten gleich, umherstiefelten." etc.